Cum-Ex: Wie Anleger durch Dividendenstripping immer noch Millionen stehlen

Erst vor wenigen Tagen wurde ein neuer Fall von Dividendenstripping - besser bekannt als Cum-Ex - in Deutschland bekannt. Zwei Briten sollen sich bis zu 440 Millionen Euro erschlichen haben. Auch vor Österreich machten die Anleger nicht Halt. Nun könnte in Deutschland ein Musterprozess gegen die dubiosen Machenschaften der Aktienhändler anstehen.

18.06.2019, 20:07 Uhr von
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Erst gestern gab die Staatsanwaltschaft Köln bekannt, dass zwei britische Aktienhändler festgenommen wurden, die die Bundesrepublik Deutschland um 440 Millionen Euro betrogen haben sollen. Bei diesen "Cum Ex"-Geschäften sollen sich die Anleger die einmalig gezahlte Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus dem Aktienhandel mehrfach erstatten haben lassen. Mit einer Anklage in diesem Fall stünde Deutschland ein Musterprozess gegen Dividendenstripping ins Haus.

55 Milliarden Euro an Steuerschaden

Erst im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass deutschlandweit so gut wie alle Banken an diesen dubiosen Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein sollen. Der errechnete Schaden belief sich auf rund 55 Milliarden Euro. Neben Deutschland sollen aufgrund des Dividendenstrippings über die letzten Jahre mindestens zehn weitere europäische Länder betroffen gewesen sein. Auch Österreich soll darunter gewesen sein. Die Zeitung "die Zeit" nannte es den "Coup des Jahrhunderts".

Das Finanzministerium betonte auf eine parlamentarische Anfrage hin jedoch, dass das mehrfache erstatten der Kapitalertragssteuer in dieser Form nicht möglich wäre. Insider der sogenannten Cum-Ex-Files betonen jedoch, "Österreich ist über viele Jahre parallel zu Deutschland gelaufen", zitiert "Addendum" einen Informanten.

Was ist Cum-Ex eigentlich?

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Dividendenstripping (Cum-Ex) ist eine von Händlern häufig verwendete Methode, um den Wertunterschied zwischen Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende abzusichern, wobei Put-Optionen verwendet werden. Das Dividendenstripping (Dividendenarbitrage) wird weltweit in vielfältiger Form praktiziert.

Das in den letzten Jahren bekannt gewordene Cum-Ex-System betrifft eine aggressive Form der Dividendenarbitrage in Deutschland und verschiedenen anderen EU-Ländern. Der Cum-Ex-Skandal hat angeblich im Jahr 2001 begonnen und wurde erstmals 2012 in Deutschland entdeckt. Ein Kollektiv europäischer Medien, angeführt von der German Correctiv Group, hat zusammengearbeitet, um diese sogenannten Cum-Ex-Akten zu untersuchen. Das Ausmaß des Skandals war in Deutschland am größten, aber es waren auch andere europäische Staaten beteiligt, darunter Dänemark, Belgien, Österreich, die Schweiz und Norwegen. Neben dem Cum-Ex-System wird seit Jahren auch in Deutschland und in ganz Europa ein sogenanntes Cum-Cum-System eingesetzt. Die Gesamtkosten der zwischen 2001 und 2012 eingeführten Cum-Ex- und Cum-Cum-Systeme für die europäischen Steuerzahler belaufen sich nach Schätzungen zwischen 2001 und 2012 auf mehr als 55 Mrd. EUR.

Beispiel:

Investor A (z. B. ein Vermögensverwalter) besitzt Anteile in Höhe von 20 Mio. an der börsennotierten Gesellschaft X.

Investor B kauft nur wenige Tage vor der Ausschüttung der Dividende an die Aktionäre von Unternehmen X nun auch Aktien im Wert von 20 Mio. EUR. Die von Investor B gekauften Aktien werden als Cum-Dividenden-Aktien bezeichnet, da diese Aktien dem Käufer eine Dividende bescheren. Investor B kauft diese Aktien von Investor C, der diese Aktien noch nicht selbst besitzt. Investor C ist ein Leerverkauf und verspricht Investor B, die Aktien zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu liefern.

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Jetzt zahlt Unternehmen X die Dividende in Höhe von 1 Million Euro an Investor A aus, der 750.000 Euro direkt von Unternehmen X und eine Bescheinigung seiner eigenen Bank über die Erstattung von 250.000 Euro Dividendensteuer, die vom Deutschen erhoben wurde, erhält. Infolgedessen sind die Aktien von Investor A jetzt 19 Millionen wert (20 Millionen - 1 Million Dividende).

Investor A verkauft nun diese als ex-dividierte Aktien gekennzeichneten, wertgeminderten Aktien an Investor C.

Abschließend verkauft Investor B seine Anteile (im Wert von 19 Mio.) an Investor A. Infolgedessen besitzen sowohl Investor A als auch Investor B eine Bescheinigung über die Erstattung der Dividendensteuer, obwohl die deutsche Steuerbehörde die Steuer nur einmal erhoben hat.

Die zusätzlich erstattete Dividendensteuer wird zwischen den Anlegern A, B und C aufgeteilt.

So funktioniert das Dividendenstripping

Wenn Unternehmen Dividenden bekanntgeben, sind alle Anleger, die die Aktie an einem bestimmten Datum (Stichtag) halten, berechtigt, diese zu erhalten. Sobald die Dividende ausgeschüttet ist, wird die Aktie ex-dividiert und zu einem niedrigeren Kurs gehandelt. Wenn Sie die Aktie kurz vor dem Stichtag kaufen und unmittelbar nach dem Ausscheiden verkaufen, erhalten Sie eine steuerfreie Dividende. Sie können auch (fiktive) kurzfristige Kapitalverluste für Ihre Aktie buchen. Sie können diesen Verlust dann mit anderen Gewinnen "verrechnen", die Sie zur Beantragung einer Steuerbefreiung erzielt haben. Dies ist Dividendenabbau.

In jüngster Zeit wurde das Dividenden-Stripping jedoch hauptsächlich in Investment Fonds eingesetzt. Anleger erhalten im Voraus Informationen über die Dividendenausschüttung eines Fonds und kaufen seine Anteile im Voraus. Sobald die Dividende angekündigt ist, wird sie eingezogen und ein Kapitalverlust verbucht, wenn der Nettoinventarwert (NIW) des Fonds aufgrund der Auszahlung sinkt. Diese Verluste werden dann zur Geltendmachung von Steuervergünstigungen verwendet.

Um die Ausschüttung von Dividenden zu unterbinden, wurden die Ausschüttungsregeln im Jahr 2004 von der Steuerabteilung angepasst. Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass ein Anleger einen fiktiven Verlust des Nettoinventarwerts aufgrund von Dividenden nur dann geltend machen kann, wenn die Anteile drei Monate vor dem Nachweisstichtag gekauft oder mindestens neun Monate nach Auszahlung der Dividende gehalten wurden.

Darum ist es illegal

Beim Dividendenstripping werden Aktien um den Stichtag schnell gekauft und verkauft. Viele Kreditinstitute verkaufen die Wertpapiere an einem Cum-Tag, müssen diese allerdings erst nach zwei Tagen verkaufen. Das Ziel der Kreditinstitute sind Steuervorteile, bzw. die mehrfache Erstattung von Ertragssteuern. Die Ertragssteuern wurden sowohl auf die Dividende des Käufers als auch auf die Aktien der Bank berechnet.

So erstattete der Staat mehrfach die Steuer, da die Finanzämter nicht mehr nachverfolgen konnten, wem die Papiere gehörten. So erstatteten die Finanzämter mehr Steuern, als eingenommen wurden. Der Verlust wird auf über 30 Milliarden Euro geschätzt. Seit 2012 sind die Cum-Ex-Geschäfte verboten. Cum-Ex-Geschäfte sind kein Steuerschlupfloch, sondern gelten als Steuerbetrug, bei dem der Staat bewusst umgangen wird.

Seit 2012 werden immer wieder Gesetzeslücken genutzt, um von den Cum-Ex-Geschäften zu profitieren. Cum-Ex-Geschäfte werden jetzt in anderen europäischen Ländern betrieben.

Wer in Deutschland in den Skandal verwickelt war

Institutionelle Anleger in Deutschland (im Gegensatz zu Privatanlegern) können die Dividendensteuer (teilweise) von der Regierung zurückfordern. Investoren in Deutschland haben jedoch jahrelang von einer Lücke im deutschen Steuerrecht Gebrauch gemacht, die es mehreren Parteien ermöglichte, die gleiche Dividendensteuer zu erstatten.

Bis zur Änderung des deutschen Steuerrechts im Jahr 2012 wurde die Dividendensteuer (25% der Bruttodividende) von der ausstellenden Körperschaft erhoben, während die Bescheinigung über die Steuerrückerstattung (falls zutreffend) von der Bank des Aktionärs ausgestellt wurde. Die Depotbanken wussten (notwendigerweise) nicht, ob es sich bei den von ihnen abgewickelten Transaktionen um normale Transaktionen oder um Cum-Ex-Transaktionen handelte, und stellten daher für beide Transaktionen Erstattungsbescheinigungen aus. Dieses System ermöglichte es mehreren Anlegern, Steuererklärungen zurückzufordern, obwohl nur eine Partei die Dividendensteuer tatsächlich gezahlt hatte. Das System wurde 2012 in Deutschland geändert, und seitdem sind die Depotbanken sowohl für die Erhebung der Dividendensteuer als auch für die Ausstellung der Erstattungsbescheinigungen verantwortlich.

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Daniel Herndler
Chef-Redakteur, Ressort-Leiter Steuern und Finanzen
Daniel Herndler ist Wirtschaftsjournalist, Herausgeber und Chef-Redakteur des Nachrichtenportals Finanz.at. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Steuern, Finanzen und Wirtschaft.
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